|
Grußworte zur ARTIONALE 2004„unschärfe“ lautet dieses Jahr das Thema des Projektes ARTIONALE, das zum dritten Mal in Münchner Kirchengemeinden und evangelischen Einrichtungen stattfindet. Ein präziser Name für etwas, das Kunst und Kirche gemein haben: Beide reflektieren auf je eigene Weise Gott, Welt- und Selbsterfahrung. Kunst kann zur "Sprache der Religion" werden, kann religiöse Funktion haben, in dem sie die Betrachtenden aufstört oder vergewissert, verunsichert oder befreit, ihnen zur Er-Leuchtung verhilft oder manches im Ungewissen unscharf lässt. Die ARTIONALE 2004 stellt die Kunst der Fotographie in den Mittelpunkt. Fotos schaffen Welten. Sie zeigen Schönheit, rücken ins Bild, was sonst unbemerkt geblieben wäre. Fotos wirken oft unmittelbarer als Worte. Das Auge der Kamera, das einst als unbestechlich galt, ist inzwischen korrumpierbar. Fotos liefern Kriegsgründe, verzerren, was sie zeigen wollen, erfinden gar, was so nicht existiert. Die Rolle der Fotographie bleibt oft zwielichtig. Die ARTIONALE 2004 führt Unschärfen der Fotographie und unsere Art, die Welt zu sehen, vor Augen. Den Veranstaltern der ARTIONALE ist zu danken, dass sie so nachdenklich die Begegnung zwischen Kunst und Kirche pflegen und den Blick für notwendige und schmerzliche Unschärfen schärfen. Kunst als unverzichtbarer Bestandteil der modernen Kultur ist wertvolle Dialogpartnerin für Kirche. Beide, Kunst und Kirche, müssen gesellschafts- und individualitätskritisch daran erinnern, dass die vorfindliche Wirklichkeit kein unüberwindliches geschlossenes System darstellt. Beide sind aufgerufen, zur Vorstellung des Gegenteils zu ermuntern, wo das Gelingen irdisch-menschlichen Lebens gefährdet ist. Ich wünsche der ARTIONALE 2004 einen rauschenden Erfolg und den Teilnehmenden geistvoll- bereichernde Begegnungen. Susanne Breit-Keßler Wie schon 1998 und 2001 habe ich auch für die ARTIONALE 2004 sehr gerne die Schirmherrschaft übernommen. Bereits die beiden ersten Veranstaltungen waren wirklich gelungene Projekte, und ich freue mich, dass diese Initiative weitergeht. Christian Ude „Fotografieren ist eine Art zu schreien, sich zu befreien... Es ist eine Art zu leben.“ So definierte der im August verstorbene Henri Cartier-Bresson die Kunst der Fotografie und spannt damit einen Bogen zur existentiellen Auseinandersetzung der Kunstschaffenden mit den Ereignissen der Gegenwart. Das Leben soll sichtbar werden, in all seiner Schärfe und Unschärfe. Die Kraft der Ereignisse soll spürbar sein in aller Deutlichkeit und Energie oder kaum sichtbar und dennoch wirkungsvoll. Mit der ARTIONALE 2004 bieten evangelische Kirchen in München den Rahmen für zeitgenössische, auch nichtreligiöse Kunst und die musikalische Gestaltung von Klangräumen. Sie laden ein, in der Religion und dem eigenen Glauben eine gültige Deutung des Lebens zu wagen ohne dabei die Fragen und Zweifel verdrängen zu müssen. Das Thema „unschärfe“ lenkt den Blick auf den Konstruktivismus mit der Frage nach der Realität dessen, was wir wahrnehmen: Abbild oder Abbildung, Idee oder Fantasie, Interpretation oder Sinngebung? Die Begegnung mit den Kunstwerken macht deutlich: Wirklichkeit und Wahrnehmung zusammen bilden ein Ganzes und helfen, die eigene Deutung zu finden. Im Dialog mit der fremden Perspektive liegt der Zauber des Neuen. Das Evangelische Dekanat München als Veranstalter zeigt Profil mit der ARTIONALE 2004 und sucht das Gespräch mit den jungen Künstlerinnen und Künstlern. Die ARTIONALE 2004 leistet in der gegenwärtigen Suche nach Sicherheiten einen Beitrag, vermittelt das Bewusstsein für die Verführung der Sinne und hilft, das eigene Sehen zu schärfen. Denn - wie es der Apostel Paulus formuliert - „wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht.“(1.Korinther, Kap. 13) Ich danke dem Organisationsteam für das große Engagement und wünsche der ARTIONALE 2004 ein waches und zahlreiches Publikum. Barbara Kittelberger |